Ein Beitrag von Helena Harms.

Die Geburtsstunde der Fotografie
Der 19.August 1839 sollte die Welt wie sie bis dahin rezipiert wurde, nachhaltig verändern. Luis Daguerre stellte an diesem Tag ein erstes Foto vor. Mit einer Belichtungszeit von 10-15 Minuten wurde auf dem Foto neben dem Boulevard in Paris auch das erste Mal Menschen auf einer Fotografie abgebildet. Zusammen mit Joseph Nicéphore Nièpce sollte er zu einem Pionier der Fotografie werden und auch wenn die tatsächliche Geburtsstunde der Fotografie umstritten ist, gilt seine Abbildung bis heute als entscheidender Faktor in der Geschichte der Lichtbilder.
Seitdem hat sich viel verändert und Fotos haben sich von seltenen Einzelstücken zu einer eigenen Form der Kommunikation entwickelt. So sind zum Beispiel Memes Ausdruck einer neuen Ära, welche sich hauptsächlich im digitalen Raum abspielt, gleichzeitig erleben wir einen erneuten Aufschwung analoger Techniken und nutzen Fotos so vielseitig wie nie zuvor.
Im Folgenden werfen wir einen kurzen Blick in die Vergangenheit und auf die Geschichte des Fotojournalismus, ihr Einfluss auf Kultur und Medien und den Wandel vom gedruckten Bild zum digitalen Universum.
Die Anfänge des Fotojournalismus
Die Geschichte des Fotojournalismus beginnt 1904, ca. 65 Jahre nachdem Luis Daguerre das erste Mal den Pariser Boulevard fotografierte, als der englische „Daily Mirror“ zum ersten Mal in einer Zeitung vermehrt Fotos auf seinen Seiten zeigte. Vermehrt wurden nun Fotografien in Zeitungen genutzt und Pressezeichner langsam, aber sicher durch Pressefotografen ersetzt. Voraussetzung dafür war eine lange Reihe verschiedener Entwicklungen, unter anderem die Kalotypie, die dafür sorgte, dass von einem Foto mehrere Abzüge gemacht werden konnten. Die Perfektionierung dieses Prozesses gelang durch die Erfindung des Rollfilms, 1889, und das Angebot der Entwickler den Entwicklungsprozess der Fotos dem Konsumenten abzunehmen. Die erste Kodak Filmrolle zum Einschicken war geboren. Die Momentfotografie erlaubte es fortan auch bewegte Objekte durch kurze Belichtungszeiten scharf darzustellen und auch unhandliche Stative wurden durch kleinere, tragbare Fotoapparate ersetzt.

Etwas eingedämmt wurde dieser Fortschritt dann durch den ersten Weltkrieg und trotzdem war die Fotografie als Form der öffentlichkeitswirksamen Kommunikation nicht mehr zu stoppen. 1936 begann dann der endgültige Umschwung: Mit der amerikanischen Wochenzeitschrift „Life“ sollte ein neues Format der Berichterstattung ins Leben gerufen werden. Nicht länger standen Text und Information im Vordergrund, sondern stattdessen das Bild und die Art, wie durch dieses, Sachverhalte leicht verständlich zu kommunizieren waren.
Der Wert von Pressezeichnungen wurde nun nach und nach durch einen entscheidenden Faktor der Fotografie verdrängt: Das Versprechen der Authentizität. Während durch Zeichnungen zwar Bilder erschaffen werden, erschafft die Fotografie Bilddokumente und Fotografien werden nicht mehr länger nur als inszenierte Kunstwerke betrachtet, sondern besaßen einen Wert für die Öffentlichkeit und somit für die Medien. Fotos wurden im Gegensatz zu Zeichnungen als verlässliche Informationsquellen eingestuft. Bildinhalten wird bis heute durch ihre Entstehungsart ein höherer Wahrheitsgehalt zugesprochen als Text oder gesprochenem Wort und Fotos dienen fortan als Archiv. Die Hochzeit der Lichtbilder hat begonnen. Erst in den letzten paar Jahren wird dieser Vormachtstellung des Fotos als Beweismittel, durch die Weiterentwicklung von KI-Technologien und damit der Manipulation von Bildern, eine neue Komponente entgegengesetzt und die Differenzierung der Funktionsbereiche weiter angekurbelt.
Die digitale Revolution
Aber nochmal einen Schritt zurück. Nachdem 1936 der erste Farbfilm auf den Markt kam, begann Mitte des 20. Jahrhunderts mit der Entwicklung digitaler Fototechniken die digitale Revolution. Vollendet wurde dieser Prozess in den 90er Jahren als Filmmaterialien durch Digitale Datenträger abgelöst wurden und somit große Datenmengen gespeichert werden konnten. Fotos speichern wurde plötzlich sehr günstig und benutzerfreundlich. Jede*r hatte plötzlich die Möglichkeit Bilder nicht nur selbst aufzunehmen und zu speichern, sondern diese auch digital zu bearbeiten, zu vervielfachen und zu veröffentlichen. Die Demokratisierung der Bildproduktion wird dadurch vollendet. Mit den Anfängen des World Wide Web für alle, ca.1990 eroberte das Foto dann auch den digitalen Raum; ein digitales Universum wurde entworfen, das Internet in den nächsten 20 Jahren geradezu geflutet mit Bildern aus aller Welt.
Instagram und die 2000er
Am 6.Oktober 2010 kommt mit dem Beginn eines neuen Jahrzehnts eine prägende App für die Popkultur auf den Markt: Instagram wird für Apple Nutzer zugänglich gemacht. Fotos dienen nun nicht länger nur der Archivierung und dem Festhalten geschichtsträchtiger Momente, sondern entwickeln sich zu einem eigenen Medium der Kommunikation. Selfies, Filter und Live-Streams dominieren die digitale Welt. Das Bild wird zu einem Identitätsmarker, Bilder dienen vermehrt der Selbstdarstellung aber auch der Zugang zu Kunst, visueller Bildung und die Entwicklung des „visual Storytelling“ wird vorangetrieben.
In den letzten Jahren hat sich diese Entwicklung nochmal rasant weiterentwickelt: Durch den vermehrten Einsatz von künstlicher Intelligenz wird es möglich, Fotografien digital nachzuahmen, Fotos zu imitieren oder tatsächlich aufgenommene Fotos nachträglich so zu bearbeiten, dass eine Unterscheidung von Realität und KI fast unmöglich wird. Dieser Verlauf ruft eine erneute Debatte um den Wahrheitsgehalt von Fotos hervor und hinterfragt die Bedeutung von Fotos als authentische Darstellung der Realität. Neben den Risiken ergeben sich allerdings auch immer wieder neue Chancen beispielsweise durch den technischen Fortschritt und unseren Zugang zu vielfältigen Perspektiven und ausdifferenzierten Fototechniken.
Das Riepl'sche Gesetz: Neue Medien verdrängen nie die Alten
Von Daguerres ersten Bild aus seinem Arbeitszimmer entwickelte sich in den letzten 200 Jahren in beeindruckender Weise eine visuelle Kommunikationsform, die sich sowohl digital in Form von Posts, Filmen und Vernetzungsplattformen, als auch im echten Leben durch jedes Poster, jede Weiterentwicklung, jeden Fotowettbewerb und der Begeisterung der Nutzer*innen widerspiegelt. Und trotz alledem gibt es keinen Grund nostalgisch zu werden und den alten Zeiten der Analogkameras hinterherzutrauern, im Gegenteil. Denn weiterhin steht dieser rasanten Entwicklung etwas Entscheidendes gegenüber: Neue Medien verdrängen nie die Alten. Vielleicht verändert sich ihre Funktion und die Art wie wir sie nutzen, eine Ausdifferenzierung der Funktionsbereiche. Aber auch wenn das Foto, durch KI-Technologien, als Beweismittel zunehmend an Bedeutung verliert, und auch wenn jeder von uns längst zig tausende Bilder in digitalen Clouds speichert und Fotos längst das Normalste der Welt sind, Fotoalben eine Idee der Großeltern und eine Zeitung ohne Bilder unvorstellbar, sprechen die Kodak Filmrollen in jeder hippen Studierenden-WG für etwas anderes, erzählt die Gestik einer Zeichnung als Geschenk eine andere Geschichte und die Begeisterung für Polaroids ebenso.
Die Idee in unseren Köpfen, Erinnerungen festhalten zu können, indem wir Sie aufnehmen, verbindet uns alle auf die ein oder andere seltsame Weise, zumindest ein kleines bisschen, mit Luis Daguerre und seinem Foto aus dem Arbeitszimmer, ein kurzer Moment des Innehaltens, ein Augenblick, eine Millisekunde Belichtungszeit, ein Foto. Die Veränderung der Fotografie wird fortschreiten und uns und unsere Art zu kommunizieren damit mit verändern, aber das Foto als Medium bleibt und mit ihm, unsere Erinnerungen und Erzählungen aus alten Zeiten.
Quellen:
https://www.planet-wissen.de/kultur/medien/geschichte_der_fotografie/index.html
https://segu-geschichte.de/fotos/
Pensold, W. (2015). Eine Geschichte des Fotojournalismus. In Springer eBooks. https://doi.org/10.1007/978-3-658-08297-0
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